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Mein erster Gottesdienst

2. März 2025 «Martin-Luther-Kirche» in Unterstrass, bei der lutherischen Gemeinde in Zürich

Foto: Cornelia Camichel

Das Sechsertram fährt sonntags nicht. Leider fällt mir das erst auf, nachdem ich das Dreizehnertram an mir habe vorbeifahren lassen. Na, was solls, ich habe genug Zeit eingeplant und warte sorglos auf das nächste.

Die Sonne scheint noch nicht über das Fifa-Gebäude auf den Tessinerplatz und es ist bitterkalt. Die Stadt scheint wie leergeräumt. Mit mir warten nur drei andere Menschen auf ihre Trams.

Etwas nervös bin ich, ich könnte etwas falsch machen. Dies ist mein erster Gottesdienst.

Mein Tram kommt. Auf der kurzen Fahrt zum Paradeplatz schaue ich in die beleuchteten Schaufenster von geschlossenen Läden. Ein Sonntagmorgen eben.

Auf meinem Fussweg zum St. Peter begegne ich niemandem. Die Altstadt liegt verlassen, abgesehen von einem joggenden Paar.

Da, das wird das Lavaterhaus sein. Peter. Mein Ziel lautet Arven-Stube. Die ist gleich links beim Eingang. Bin ich die erste? Kurz habe ich Panik: Bin ich hier falsch?

Doch noch während ich besorgt nach der Telefonnummer von Cornelia Camichel suche, wird eine Kaffeemaschine in den Raum reingefahren und mir wird bestätigt, dass ich richtig bin.

Die Pfarrerin kommt wenige Minuten später, dann weitere Kirchenmitglieder, nach und nach. Es wird eine gesprächige Runde, während wir Zmorge essen und uns über Gott und die Welt unterhalten, quasi. Ich erfahre von einer Arche in der Wasserkirche, bekomme von Geburtsorten zu hören, wir tauschen uns über erste Kinofilme und beliebte Ferienorte aus. Wirklich sehr unterhaltsam hier im Arven-Stübchen.

Um neun Uhr machen wir uns auf, Ehemann und Tochter von Cornelia kommen dazu, wir laufen zur Tramstation und fahren gemeinsam bis an die Stampfenbachstrasse. Von dort bewegt sich unsere kleine Gruppe durch einen Park, wo wir für ein Gruppenbild posieren.

Fünf Minuten später stehen wir vor der Lutherkirche. Sie liegt in einer Kurve der Kurvenstrasse, die ihrem Namen alle Ehre macht. Überhaupt ein spannender Anblick: Die Vorderseite der Kirche ragt in einem imposanten Dreieck in die Höhe und fällt gleichzeitig in ihrer Mitte etwas ab. Und nicht minder spannungsvoll präsentiert sich der Innenraum.

Am Eingang wird uns ein Gesangsbuch ausgeteilt, dazu noch eine extra Broschüre zum Ablauf des heutigen Gottesdienstes, was sich für mich als überaus hilfreich erweisen wird.

Wir sind noch etwas früh, setzen uns aber schon mal hin. Offenbar kennt hier jede(r) jede(n). Als ich meine Banknachbarin darauf anspreche, meint sie, wenn man die gleichen Veranstaltungen besuche, kenne man sich halt. Ich frage sie, was ihr am Besten am St. Peter gefällt. Sie denkt nach. Dann: «Im St. Peter kennt man sich noch.»

Der Gottesdienst beginnt, wie er soll, als es zehn Uhr schlägt. Ich stehe dann auf, wenn die anderen es tun und lausche ihren gemurmelten Worten. Mithilfe meiner Banknachbarin finde ich die richtigen Seiten im Gesangsbuch und kann mitsingen. Gesang und das Orgelspiel gefallen mir besonders.

Der Gottesdienst dauert etwa eineinhalb Stunden. Danach werden noch einige Fakten zur Kirche und der Gemeinde erzählt. Schliesslich trifft man sich in einem Gemeinschaftsraum der Kirche zu Kaffee und Guetzli. Auch hier: familiäre Atmosphäre, ich lausche den Gesprächen, bis ich mich verabschieden muss.



Lili Rüetschi, JULL-Stadtbeobachterin seit 2024



Foto: Cornelia Camichel


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